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Neid: Was hinter dem Gefühl steckt und wie du ihn für dich konstruktiv nutzen kannst

Wer kennt es nicht: An manchen Tagen scheinen alle Menschen glücklicher, fröhlicher und erfolgreicher zu sein als man selbst. So hatte man beispielsweise selbst nicht den besten Tag und hört abends den Erzählungen einer Freundin zu, die aufgeregt darüber berichtet, wie gut es gerade bei ihr läuft. Job, Liebe, Eigenheim – alles super. Prompt wird die eigene Stimmung noch schlechter, ohne dass man etwas dagegen tun könnte. Eine andere Freundin bekommt einen Heiratsantrag und noch während man sich freut, macht sich ein schlechtes Gefühlt breit, weil man selbst den Richtigen/die Richtige noch nicht gefunden hat. Ein anderes Mal scrollst man durch Instagram und entdeckt, wie ein alter Schulfreund gerade auf den Malediven weilt, während man sich an einem grauen Novemberabend- müde von der Arbeit- eine Packung Fertignudeln aufwärmt. Ganz schnell fällt auch hier die Laune in den Keller. Das höhere Gehalt, das schnellere Auto, die klügeren Kinder, die Erfolge des Kollegen, die glückliche Partnerschaft – Neid kennt viele Gründe, sich zu zeigen.

In einer Welt unzähliger Möglichkeiten und diverser Social Media Plattformen, auf denen wir tagtäglich vermeintlich perfekte Leben anderer präsentiert bekommen, läuft man schnell Gefahr sich zu vergleichen. Andere zeigen uns auf, was alles noch möglich wäre, wir aber nicht leben. Sicherlich wünschen wir uns alle, zu den Menschen zu gehören, die sich über das Wohlergehen anderer freuen und die tief verinnerlicht wissen, dass ein sich vergleichen eh nichts bringt und einen selbst nur runter zieht. Meistens gelingt es uns auch, denn natürlich können wir relativieren, dass wir nur das äußere Bild des Erfolges sehen, nicht aber all das was dahinter steckt. Und trotzdem tappen wir immer wieder in die Falle, wenn wie auf Autopilot in bestimmten Situationen der Neid in uns aufsteigt. Warum aber sind wir überhaupt neidisch und was können wir dagegen tun?

Gefühle sind Botschafter

Oft äußern meine KlientInnen mir gegenüber in der Praxis den Wunsch, ein bestimmtes Gefühl würde einfach verschwinden, weil sie sich ihm so ausgeliefert fühlten. Machen wir dazu ein kleines Gedankenexperiment: Stell dir vor, du hättest tatsächlich keinerlei Gefühle. Du könntest keinen Neid empfinden, könntest dich im selben Atemzug aber auch nicht freuen, nicht ärgern, dich nicht ängstigen, du könntest auch nicht lieben. Wie fühlt sich diese Vorstellung für dich an? Was nimmst du bei dem Gedanken wahr? Dieses Experiment macht hoffentlich deutlich, welch elementare Rolle Gefühle in unserem Leben einnehmen.

Gefühle fungieren als Botschafter, die uns auf zugrunde liegende Bedürfnisse aufmerksam machen.

Zusammenhang von Gedanken, Gefühlen und Verhalten

Tatsächlich gibt es keinen Augenblick in unserem Leben, der frei von Gefühlen ist. Bis zu unserem letzten Atemzug sind sie treu an unserer Seite, mal leise im Hintergrund, ein anderes Mal drängen sie sich geradezu auf. Ohne Gefühle besäßen wir keinen Antrieb, keine Motivation, keine Visionen. Es wäre keine Nähe und kein Austausch mit anderen möglich, wir würden Gefahren nicht wahrnehmen und könnten nicht spüren, wie es sich anfühlt zu lieben. Gefühle fungieren als Botschafter, die uns auf zugrunde liegende Bedürfnisse aufmerksam machen. Wir neigen oft dazu, unangenehme Gefühle zu verteufeln und sie am liebsten wegschieben zu wollen, dabei sind auch sie Teil eines immens wichtigen Signalsystems. Unangenehme Gefühle können uns aufzeigen, dass etwas in unserem Leben aus dem Gleichgewicht geraten ist und helfen uns dadurch näher hinzusehen.

Neid als treibende Kraft

Welche Funktion kommt dabei nun dem Gefühl Neid zu? Aus evolutionärer Sicht ist er von großer Bedeutung: Der Mensch ist darauf programmiert, bestmöglich auf äußere Umwelteinflüsse zu reagieren, sich anzupassen und weiterzuentwickeln. Neid entsteht dann, wenn wir beim Vergleich mit unserer Umwelt in unserem eigenen Leben oder an unserer eigenen Person einen Mangel feststellen. Neid spornt an, bringt zum Nachdenken und sichert so das Überleben. Der Grundgedanke hinter der Emotion ist der Wunsch, den eigenen Selbstwert zu vergrößern und die eigene Position zu schützen. Konkret könnte man also sagen, dass Neid als eine Art Antreiber in unserem Leben fungiert.

Tipps im Umgang mit Neid

Betrachte dein Leben aus einem wertschätzenden Blickwinkel!

Das Problematische am Neid aber ist, dass die wenigsten Menschen ihn als solches zu nutzen wissen und meistens in eine selbstabwertende Abwärtsspirale verfallen, die so kräftezehrend ist, dass sie letztendlich handlungsunfähig werden. Der Fokus ist darauf gerichtet, was fehlt, wo man sich als mangelhaft empfindet und was noch nicht geschafft wurde.

Neid richtet den Fokus auf alles Mangelhafte.

Versuche also im ersten Schritt nicht so hart über dich zu urteilen, sondern betrachte dich und deinen Weg aus einem liebevollen und dankbaren Blickwinkel. Dankbarkeit bedeutet dabei nicht, dass du deine Wünsche ignorierst, sondern dass du dich auf Dinge fokussierst, die du bereits geschafft hast und die dir Wertschätzung und Freude bringen. Werde dir deiner Fähigkeiten und Stärken bewusst, die dich auszeichnen.

Nutze Neid konstruktiv: Hinterfrage dahinterliegende Bedürfnisse

Auch wenn wir uns manchmal wünschen, was andere haben, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass es uns genauso glücklich machen würde. Anstatt den automatischen Gedankengang „Ich will, was der andere hat“ hinzunehmen, frage dich daher einmal ganz bewusst „Was will ich wirklich?“.

Verwende deinen Neid, um zu reflektieren und um ihn in etwas Positives für dein Leben zu verwandeln:  

  • Was frustriert dich an der gegenwärtigen Situation?
  • Was ist für dich das Schlimmste an den derzeitigen Umständen?
  • Worum beneidest du die jeweilige Person ganz konkret? Was verbindest du damit?
  • Was kannst du jetzt noch nicht leben, was du gerne leben möchtest? Welche Veränderungen wären dafür notwendig?
  • Was würde geschehen, wenn du nichts veränderst und einfach so weiter machst?
  • Was müsste sich ändern, um mit der aktuellen Situation besser umgehen zu können?

Sobald du die zugrunde liegenden Bedürfnisse des Neids identifiziert hast, kannst du deutlich konstruktiver mit ihm umgehen. Beginne dir einen Plan zu machen, indem du realistische, erreichbare Ziele formulierst und so wieder zum Steuermann im Boot deines Lebens wirst. Frage dich, welche Schritte dich näher an dein Ziel bringen und wie du die gewünschte Veränderung ganz konkret erreichen kannst. Lass den Neid  Motor für die Veränderung sein, die du dir in deinem Leben wünscht.

Hinterfrage dein Konzept von Erfolg

Zu guter Letzt kann es auch hilfreich sein, vorhandene Lebenskonzepte kritisch zu hinterfragen. Viele teilen beispielsweise die Ansicht, materielle Güter würden zwangsläufig glücklicher machen und streben deshalb danach viel Geld zu verdienen. Solche oder ähnliche Überzeugungen werden oft einfach übernommen, ohne dass wir sie hinterfragen und reflektieren, was uns eigentlich langfristig glücklich macht.

Erfolg bedeutet tatsächlich nämlich nicht unbedingt, dass man ein großes Haus, ein teures Auto, genug Geld für Nobelrestaurants oder ein attraktives Aussehen hat. Das Schöne am Erfolg ist: Er bedeutet für jeden von uns etwas anderes. Für eine Mutter sind es die ersten Schritte ihres Kindes, für den Geschäftsführer der unterzeichnete Vertragsabschluss, für ein Schulkind die gute Note im Diktat, für ein Liebespaar die langjährige erfüllende Beziehung. 

Erfolg ist etwas ganz persönliches, das jeder selbst für sich definieren muss und nicht per se durch die Gesellschaft vorgeschrieben werden kann. Versuche also im letzten Schritt zu definieren, was Erfolg für dich bedeutet und wie du ihn leben kannst: In deinem Beruf, aber auch privat in deiner Freizeit, in deiner Gesundheit, in deinen Bedürfnissen und zwischenmenschlichen Beziehungen. 

Letztendlich ist es die Entscheidung,
wie wir mit den uns gegebenen Herausforderungen umgehen, welche maßgeblich unser Leben beeinflusst.

Am Ende geht es in Wirklichkeit darum, das Glück nicht im Außen zu suchen, sondern selbst in sich zu schaffen. Glück ist eine innere Haltung, mit der wir durchs Leben gehen. Sie beinhaltet die Entscheidung, jetzt im gegenwärtigen Moment glücklich sein zu dürfen, ohne es an Bedingungen zu knüpfen. Du bist diejenige/derjenige, die/der den größten Einfluss auf ihr/sein Leben hat und es maßgeblich lenken kann. Natürlich unterliegen wir äußeren Einflüssen, trotzdem haben wir es selbst in der Hand, wie wir auf diese reagieren. Letztendlich ist es die Entscheidung, wie wir mit den uns gegebenen Herausforderungen umgehen, welche maßgeblich unser Leben beeinflusst. 

Wenn du dich also das nächste Mal wieder dabei ertappst, dass der Neid in dir aufkommt, halte kurz inne. Es zählt dein Weg, das, was dich ausmacht und erfüllt! Erinnere dich daran, dort nach Veränderungsmöglichkeiten zu suchen, wo du in deinem Leben unzufrieden bist und dann gehe dafür los. Überlege, welche Reaktion jetzt wirklich ein für dich dienliches Resultat bewirken würde, vor allem langfristig. Vergiss nicht: Dein Leben kann immer besser werden, weil du derjenige bist, der am Steuer sitzt.